Die Türkei sollte nicht allein gelassen werden

Berlin Büyükelçiliği 02.03.2020

Der Krieg in Syrien setzt sich unvermindert seit 9 Jahren fort. Wir sind seitdem Zeuge der unbeschreiblichen Grausamkeiten und Zerstörung eines Volkes und ihres Landes. Der Konflikt hat seit Mai 2019 eine neue Wendung genommen. Das Regime in Damaskus hat seinen ohnehin brutalen Militäreinsatz gegen Millionen von unschuldigen Syrern in der Provinz Idlib verstärkt. Die überwältigende Mehrheit der internationalen Gemeinschaft ist überzeugt, dass das Regime wahllos gegen eine ganze Bevölkerung vorgeht.

Die schweren Verstöße des Regimes stellen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Dies ist ein weiterer Ausdruck seines langjährigen Bestrebens, den Konflikt durch einen „militärischen Sieg“ zu überleben. Sein endgültiges Ziel ist es, die Aussicht auf eine politische Lösung zunichte zu machen.

Die Türkei teilt eine 911 km lange Landesgrenze mit Syrien und ist ein unmittelbarer Nachbar der Provinz Idlib. Wir sind allen Auswirkungen der Gräueltaten des Regimes direkt ausgesetzt. Indem wir fast zwei Drittel aller syrischen Flüchtlinge weltweit beherbergen, haben wir praktisch die Last von insgesamt fast 9 Millionen Syrern auf unserem eigenen Boden und im Norden Syriens übernommen. Wir haben rund 40 Milliarden Euro für ihre Versorgung ausgegeben.

Die Bundesrepublik Deutschland ist dasjenige europäische Land, das die Konsequenzen der Krise in Syrien am stärksten spürt. Wir wissen, dass unsere deutschen Partner, diein Europadie weitaus größte Zahl syrischer Flüchtlinge aufgenommen haben, uns besser verstehen.

Nun haben die willkürlichen Angriffe des Regimes eine neue humanitäre Krise in Idlib und eine Massenvertreibung in Richtung der türkischen Grenze ausgelöst. Obwohl wir bereits unsere Kapazität zur Aufnahme weiterer vertriebener Syrer überschritten hatten, wurden wir gezwungen, als Erster auf diese Herausforderungen zu reagieren.

Infolge der Militäroffensive des Regimes in Idlib und der mindestens abertausenden Waffenstillstandsverletzungen seit Mai 2019 wurden mehr als 2.000 Zivilisten getötet. Mehr als zwei Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, wurden in Richtung unserer Grenze vertrieben. Wie die Vereinten Nationen selbst mitgeteilt haben, ist dies eine der schlimmsten von Menschen verursachten Vertreibungen, die man im letzten Jahrzehnt weltweit erlebt hat. Dafür sind ausschließlich das Assad-Regime und seine Unterstützer verantwortlich. Dies muss gestoppt werden.

Die Türkei hat größte Anstrengungen unternommen, um zur Schaffung eines landesweiten Waffenstillstands beizutragen. Im Einvernehmenmit den beiden anderen Garantiestaaten der Astana-Plattform, Russland und Iran, unterstützten wir die Schaffung von „Deeskalationszonen“. Wir haben 12 Beobachtungsposten entlang der Grenzen der Deeskalationszone Idlib errichtet, um die Einhaltung des Waffenstillstands zu gewährleisten.

Das Regime und seine Verbündeten handelten weiterhin in eklatanter Verletzung all dieser Vereinbarungen und früherer Waffenstillstandsvereinbarungen. Doch trotz zahlreicher Provokationen und Schikanen durch die Regimekräfte und ihrer Unterstützer gegen die auf den Beobachtungsposten stationierten türkischen Soldaten zeigte die Türkei äußerste Zurückhaltung, um eine direkte militärische Konfrontation zu vermeiden. Das Regime und seine Helfer wurden auf höchster Ebene öffentlich dazu aufgerufen, diese wiederholten Angriffe einzustellen.

Stattdessen erhöhten sie ihre Angriffe. Sie zielten direkt und bewusst auf die türkischen Soldaten in Idlib. Am 27. Februar wurden ein türkischer Militärkonvoi zur Verstärkung eines türkischen Beobachtungspostens sowie einige Befestigungsanlagen südlich der Deeskalationszone von Idlib gezielt ins Visier genommen. Dieser abscheuliche Angriff führte zum Verlust von 36 unserer Soldaten. Sogar eines unserer Rettungsfahrzeuge wurde in Verletzung des Völkerrechts beschossen. Seit Anfang Februar haben wir insgesamt mehr als 50 Verluste zu verzeichnen.

Angesichts der fortdauernden gezielten Angriffe des Regimes auf die türkischen Streitkräfte, und nachdem in den Gesprächen mit den Regimeunterstützern keinerlei Fortschritte erzielt werden konnten, sah sich die Türkei gezwungen, zu ihrer Selbstverteidigung am 27. Februar die „Operation Frühlingsschild“ zu starten. In diesem Rahmen werden lediglich Regimeelemente und ihre Waffen anvisiert. Alle Maßnahmen werden ergriffen, um Schaden innerhalb der Zivilbevölkerung zu vermeiden.

Bisher wurden in Idlib und Umgebung 2.557 Regime-Elemente ausgeschaltet. Daneben wurden 2 SU-24 Kampfflugzeuge, 2 Drohnen, 8 Hubschrauber, 135 Panzer, 86 Artilleriegeschütze, 5 Flugabwehrsysteme, 16 Panzerabwehrraketen/-mörserbasen, 19 gepanzerte Mannschaftswagen, 77 gepanzerte Fahrzeuge und 9 Waffenlager zerstört (Stand: 2. März 2020).

Das Ziel unserer Präsenz in Idlib ist von Anfang an gleich geblieben: (i) die Zivilbevölkerung zu schützen, indem wir die Aggression des Regimes gegen sie beenden, (ii) die Sicherheit der türkischen Soldaten zu gewährleisten, die im Rahmen des Memorandums vom 4. Mai 2017 stationiert wurden, (iii) den Status der Deeskalationszone Idlib zu erhalten, (iv) zur Errichtung eines landesweiten Waffenstillstands gemäß der UN-Sicherheitsratsresolution 2254 beizutragen, (v) für die Notleidenden einen raschen und ununterbrochenen Zugang zu humanitärer Hilfe zu gewährleisten und (vi) Massenvertreibungen in die Türkei und darüber hinaus zu verhindern.

Wir werden unsere Beobachtungsposten in Idlib nicht verlassen. Wir werden unsere militärische Verstärkung fortsetzen, soweit dies zur Gewährleistung der Sicherheit unserer Streitkräfte und unserer Grenze erforderlich ist.

Auf unseren Antrag wurde im Sinne von Artikel 4 des Abkommens von Washington der NATO-Rat einberufen. Dabei haben unsere Bündnispartner die Luftangriffe des Regimes und seiner Unterstützer, die auf Idlib zielen, verurteilt und sie zur Einstellung ihrer Angriffe, zur Achtung des Völkerrechts und zur Unterstützung der Bemühungen für eine friedliche Lösung aufgerufen.

Unsere NATO-Partner zeigen starke Solidarität mit uns. Gemeinsam mit unseren Verbündeten werden alle Optionen und Maßnahmen analysiert, auch die Verstärkung unserer Flugabwehrsysteme.

Die Türkei ist der territorialen Integrität und der politischen Einheit Syriens verpflichtet. Sie wird ihr Möglichstes tun, um zu deren Wiederherstellung beizutragen, sobald der von Syrien geführte und von der UN unterstützte politische Prozess unter syrischer Führung und in syrischem Besitz eine glaubwürdige, integrative und nicht-sektiererische Regierungsführung bildet.

Wir stehen jetzt an einem Wendepunkt in Idlib. Die internationale Gemeinschaft sollte den Ereignissen in Idlib nicht gleichgültig gegenüberstehen. Sonst wird dies umfassende Auswirkungen, die sich auf die Türkei und den Rest Europas erstrecken. Damit es nicht dazu kommt, zählen wir auf den weiteren Beistand und anhaltende Unterstützung unserer Partner und NATO-Verbündeten.

02.03.2020

Ali Kemal AYDIN

Botschafter


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