Rede von Herrn Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer rassistischer Gewalt im Türkischen Haus

Berlin Büyükelçiliği 23.02.2012



        Liebe Angehörige und Familien, 
        liebe Familie Şimşek, 
        Familie Özüdoğru, Familie Yozgat, 
        Familie Yaşar, 
        Familie Kılıç, 
        Familie Taşköprü, 
        Familie Kubaşık, 
        Familie Turgut, 
        hochverehrter Herr Gauck, 
        werte Landsleute, 
        sehr geehrte Abgeordnete, 
        liebe Gäste,   

        an diesem Ort waren meine Vorgänger und ich in der Vergangenheit Gastgeber zahlreicher Treffen mit hochrangigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Türkei und Deutschland. Doch kaum eine dieser Veranstaltungen war derart bedeutungsvoll und emotional und hatte so große Auswirkung auf unsere Hoffnungen und Erwartungen für die Zukunft. Sie werden sicher verstehen, dass es auch mir als Gastgeber einer solchen Veranstaltung schwer fällt, meine Gefühle in Worte zu fassen. Hierfür bitte ich Sie schon jetzt um Verzeihung.   

        Wir stehen für eine Zivilisation, die den Menschen ins Zentrum des Universums stellt, die im Menschen die Widerspiegelung des gesamten Universums sieht und in der man davon ausgeht, dass, wenn man einem Menschen nach dem Leben trachtet, man sich gegen die gesamte Menschheit richtet. Wir sind Erben eines Verständnisses, das uns angesichts des erlittenen Schmerzes Stille und Haltung bewahren, den Schmerz lindern und einander Güte und Kraft spenden lässt – das gleichzeitig jedoch nicht zulässt, dass wir in unserem Gottvertrauen Ungerechtigkeit akzeptieren, das Leid des anderen ausnutzen und in unserer Würde verletzt werden.   

        Es ist eine der grundlegenden Pflichten eines jeden Staates gemäß dem Prinzip „Lasse den Menschen leben, damit der Staat leben kann“ das Volk zu schützen, dessen Leben, Eigentum, Wohlergehen und Zukunft ihm anvertraut sind. Dieses Vertrauen darf niemals beeinträchtigt oder verletzt werden.   

        Nach einem unschuldigen Leben zu trachten, führt zur Verletzung der höchsten Werte der Menschheit. Und diese Verletzung wird durch die die Menschheit bedrohenden Beweggründe wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit noch gravierender. Dass diejenigen, die für diesen Schmerz verantwortlich sind, mehr als 10 Jahre inmitten der Gesellschaft leben konnten, und diejenigen, die um ihre Angehörigen trauern, in einigen Fällen sogar verdächtigt worden sind, hat den Schmerz noch vergrößert.   

        Es sollte uns jedoch nicht irritieren, dass diese Gräueltaten zufällig ans Tageslicht gekommen sind. Die Verantwortlichen hierfür wären früher oder später ohnehin entdeckt worden – durch den stillen Aufschrei unserer unschuldigen Landsleute, welcher in den Herzen und im kollektiven Gewissen des Großteils der deutschen Gesellschaft Widerhall findet. Andernfalls wäre dies für ein Land wie Deutschland, das für Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte steht, eine untragbare Last.   

        Die türkische Gemeinschaft, die heute in Deutschland lebt, die zu Deutschland gehört und die – ganz gleich wie groß ihr Schmerz ist – sich weiterhin für den Wohlstand dieses Landes und ihr eigenes Wohlergehen einsetzt, hat eine ganz einfache Erwartung: Diese rassistischen und entfremdenden Taten stellen einen Angriff auf alle Werte dar, die Türken und Deutschen in ihrem Zusammenleben zu ihren gemeinsamen Werten erhoben haben. Die Verantwortlichen und unmittelbaren Unterstützer dieses Angriffs sollen von der deutschen Justiz eine Strafe erhalten, die der Schwere ihrer Schuld angemessen ist. Dies ist der einzige Weg, um das Gefühl von Freundschaft und Zugehörigkeit sowie das Vertrauen, in Sicherheit leben zu können, wiederherzustellen, die durch diese kranke Gesinnung beschädigt worden sind.   

        Es lindert unseren Schmerz, dass die Politiker und die öffentlichen Meinungsführer im Hinblick darauf, dass die Täter vor Gericht gestellt und verurteilt werden, mit Sensibilität und Entschiedenheit agieren und voller Mitgefühl auf die Familien der Opfer zugehen. Insbesondere möchte ich mich beim ehemaligen Bundespräsidenten Herrn Christian Wulff bedanken, der die heutige nationale Gedenkveranstaltung initiiert, Sie, die Angehörigen, in seinem Amtssitz empfangen und sich dabei um jeden Einzelnen von Ihnen gekümmert hat.  Auch danke ich Frau Bundeskanzlerin Merkel, die bei der Gedenkveranstaltung eine bedeutende Rede gehalten hat, den Fraktionen im Bundestag, die mit dem Ziel der Verurteilung dieser rassistischen Morde eigens eine Debatte einberufen haben, sowie den Bundestagsabgeordneten, die den gemeinsamen Entschließungsantrag unterstützten. Mein Dank gilt selbstverständlich auch den deutschen und den in Europa erscheinenden türkischen Medien, die den Aufklärungsprozess der Morde genau verfolgen, sowie den zivilgesellschaftlichen Organisationen.   

        Den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Herrn Joachim Gauck, hier begrüßen zu dürfen, ist mir eine ganz besondere Freude. Wir sind fest davon überzeugt, dass Herr Gauck dieses hohe Amt, für das er mit einer breiten Stimmenmehrheit fast aller Parteien nominiert wurde, nach seinem Amtsantritt mit Würde und dem nötigen Verantwortungsbewusstsein ausüben wird. Herr Gauck, Ihre Anwesenheit bei dieser Veranstaltung zum Anlass nehmend, möchte ich Folgendes bekräftigen: Die jahrhundertelange und durch zahlreiche Prüfungen bewährte Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland - dem Land, das sie bald repräsentieren werden - wird weiterhin fortbestehen. Und auch diese Prüfung wird dank der Kraft unserer Freundschaft und unserer gemeinsamen Bemühungen gemeistert werden.   

        Abschließend möchte ich im Namen der Angehörigen der Opfer noch einige Worte an die türkische Gemeinschaft in Deutschland richten: Angesichts der hohen menschlichen Werte, die den Türken und der deutschen Gesellschaft eigen sind, sind Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zum Scheitern verurteilt. Dies zu belegen und anderen Gesellschaften als Vorbild zu dienen, ist eine große Herausforderung in dieser schwierigen Zeit, in der die Ausgrenzung der Andersartigen immer weiter zunimmt. Und auch sie wird wie zahlreiche Herausforderungen in der Geschichte von der türkischen und deutschen Gesellschaft bewältigt werden. Ihre Warmherzigkeit besitzt die Kraft, jegliche Art von Entfremdung und Abgrenzung zu überwinden. Inspiriert von dem großen Philosophen Schopenhauer, der einmal sagte: „Unrecht, das mir jemand zufügt, befugt mich keineswegs, ihm Unrecht zuzufügen“, möchte ich Folgendes betonen: Wir fordern nicht einfach Rechenschaft. Unser Ziel ist es, ein kollektives Gewissen zu entwickeln, damit ähnliches Leid nicht noch einmal durchlebt wird und die Krankheiten, an denen in der Vergangenheit ganz Europa gelitten hat, nicht noch einmal die Gesellschaften heimsuchen. Es ist nun an der Zeit, mit Entschiedenheit und Besonnenheit den Tag abzuwarten, an dem Gerechtigkeit einkehrt, und unseren allernächsten deutschen Freund noch fester zu umarmen.   

        Ich danke Ihnen.      

Atatürk

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